„Händigkeit ist Hirnigkeit!“ (Dr. J.B. Sattler)
Das Thema Händigkeit spielt heutzutage zumeist eine untergeordnete Rolle. Die vorherrschende Meinung, ein Kind suche sich schon von selbst seine richtige Hand aus, erweist sich jedoch leider häufig als irreführend.
Pädagogische Fachkräfte sind zwar angehalten, nicht in die motorische Entwicklung eines Kindes einzugreifen. Dennoch gibt es eine Vielzahl von Faktoren, die beeinflussend wirken:
Unsere Umwelt ist nach wie vor „rechtslastig“. Bei Begrüßungen wird die rechte Hand gegeben, viele Gebrauchsgegenstände gehen von einem rechtshändigen Gebrauch aus, und von Maschinen bis hin zum Kinderspielzeug sind asymmetrische Aufbauten zum größten Teil für Rechtshänder ausgelegt. So werden Linkshänder immer wieder dazu gezwungen, eine Vielzahl ihrer Tätigkeiten mit ihrer nicht dominanten Hand durchzuführen.
Auch hält sich bei einigen noch immer die Vorstellung hartnäckig, dass die rechte Hand die „richtige“ Hand sei, sodass von familiärer Seite doch häufig, mal mehr, mal weniger, beeinflussend auf den Handgebrauch eingewirkt wird.
Diese Haltung zeigt sich auch im Sprachgebrauch, in dem noch immer das „Linke“ als unzureichend, ungeschickt oder schlecht dargestellt wird (z.B. „zwei linke Hände haben“, „das ist link“, ein „auf links gedrehtes“ Kleidungsstück, etc.)
Häufig genug geschieht es ohne direkte Einwirkung von außen, allein durch das Orientieren an einem Vorbild, dass sich ein Kind von sich aus dafür entscheidet, mit einer anderen Hand als der eigentlich dominanten, zu hantieren bzw. zu schreiben.
Hier wird deutlich, wie wichtig es von Seiten der Eltern und Pädagogen es doch ist, ein geübtes Auge zu entwickeln und drohenden Fehlentwicklungen entgegenzuwirken.
Händigkeit ist Hirnigkeit
Das Phänomen der Linkshändigkeit erschöpft sich nicht im Gebrauch der linken Hand. Händigkeit ist vielmehr ein Ausdruck für die dominante Hirnhälfte eines Menschen. Das heißt, dass alle Eigenschaften, für die eine Hirnhälfte zuständig ist, bzw. die Prozesse, die in einer Hälfte verarbeitet werden, sich auch auf die Persönlichkeit auswirken können.
Da die linke Hirnhemisphäre die Motorik der rechten Körperhälfte steuert, hier aber auch vorrangig analytische Prozesse stattfinden, kann sich dies auch in einer vorwiegend analytisch denkenden Persönlichkeit ausdrücken. Mit der Bevorzugung der rechten Hirnhemisphäre hingegen erhält das ganzheitliche Denken das größere Gewicht. Vielfach lassen sich also aus der Händigkeit eines Menschen weitere Eigenschaften ableiten. Dies soll nicht dazu verleiten, neue „Schubladen“ zu entwickeln, sondern helfen, die ein oder andere Eigenschaft eines Menschen möglicherweise besser zu verstehen bzw. einzuordnen.
Umschulung
Der Umschulung von der linken auf die rechte Hand zum Schreiben wird vielfach noch zu wenig Beachtung geschenkt. Da das Gehirn flexibel ist, wird davon ausgegangen, dass auch hochkomplexe feinmotorische Bewegungen mit der Zeit auch von der nichtdominanten Hand übernommen werden können. Bildgebende Verfahren haben jedoch gezeigt, dass sich auch durch jahrelangen Gebrauch die Händigkeit nicht umtrainieren lässt, sondern stabil bleibt. Das Umschulen auf die nicht dominante Hand bedeutet nicht nur eine Überforderung der nichtdominanten bzw. eine Unterforderung der dominanten Hirnhälfte, sie kostet das Gehirn einen Mehraufwand an Konzentration bzw. Energie, dessen Folgen gravierend sein können.
Folgen einer Umschulung können primär Konzentrationsmangel, Verhaltensauffälligkeiten, Sprachauffälligkeiten, motorische Schwierigkeiten, Rechts-Links-Unsicherheiten etc. sein. Als Folge können sekundär auch Unsicherheit, Minderwertigkeitsgefühle, Bettnässen, erhöhter Leistungsaufwand zur Kompensation etc. auftreten.
Frau Dr. J.B. Sattler, Neurologin und Psychologin aus München, erforscht seit Jahrzehnten das Phänomen der Händigkeit von Menschen sowie die Folgen von Umschulungen auf die nichtdominante rechte Hand. In ihrer Beratungsstelle für Linkshänder und umgeschulte Linkshänder berät und begleitet sie Kinder und Erwachsende in Händigkeitsfragen. Sie hat eine Methodik entwickelt, nach der die Händigkeit eines Menschen sicher erkannt werden kann. Wenn möglich und erwünscht kann dann eine Rückschulung auf die linke Hand erfolgen.
Steht die Händigkeit nicht eindeutig fest, ist es daher ratsam, bei speziell ausgebildeten und erfahrenen Fachleuten eine Abklärung der Händigkeit vornehmen zu lassen.
Hilfestellung
Erfreulicherweise wird das Repertoire an linkshandgerechten Utensilien immer größer, so dass linkshändige Kinder mittlerweile ohne große Mehrkosten mit passenden Schreibwaren ausgestattet werden können.
Dennoch kann es schwierig sein, ohne Anleitung eine unverkrampfte Schreibhaltung zu erlernen.
In der Linkshänder-Beratung wird eine ökonomische Stift- und Schreibhaltung, sowie die dafür erforderliche Blattlage gezeigt und eingeübt. Auch über den Gebrauch der Schere oder anderer Arbeits- und Hilfsmaterialien (Schreibunterlage, Stifthalter…) wird bei Bedarf informiert.
Darüber hinaus gibt es Informationsangebote zum Thema Händigkeit für Eltern, Pädagogen und andere Interessierte.